Der Bundesrat ist gefordert!

Bezüglich der künftigen Beziehungen der Schweiz zu Europa ist vieles offen. Mitte und Linke sind sich einig, dass ein Rahmenabkommen Rechtssicherheit und Klarheit schaffen würde. Aber wie hoch darf der Preis dafür sein? Der Schweiz droht eine ‚Brexit’-Debatte. Wir erkundigten uns bei Nationalrat Molina über seine Haltung in dieser Frage.

Sprachrohr: Fabian, du bist schon seit einiger Zeit in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und fühlst dich offensichtlich wohl dort.

 

Fabian: Ja, es gefällt mir da sehr. Es war ein Glücksfall, dass ich als Nachfolger von Tim Guldimann auch seinen Platz in dieser wichtigen Kommission erben konnte. Es ist ein sehr vielseitiges Arbeiten, wo viele Themen auch querschnittmässig behandelt werden.

 

Stimmt meine Wahrnehmung, dass du eher auf aussereuropäische Länder fokussierst und das Europa-Dossier eher von andern SPler*innen vertreten wird?

 

Nicht wirklich. Das Dossier Europa ist sicher das wichtigste und aktuell omnipräsent. Ich bin da ganz dabei. Aber es stimmt, dass ich darüber hinaus selber versuche, Themen zu setzen. Zum Beispiel bei der Frage, wie künftige Handelsabkommen ausgestaltet sein müssen, damit der Handel fairer und ökologischer wird. Oder wie die Schweiz mit dem Aufstieg Chinas umgehen soll.

 

Das Verhältnis der Schweiz zu Europa und zur EU ist wahrscheinlich das, was uns aussenpolitisch tatsächlich am meisten beschäftigt. In nächster Zeit liegt der Ball wohl beim Bundesrat. Welches sind deine Erwartungen an Cassis & Co.?

 

Ich erwarte vom Bundesrat, dass er sich dazu durchringt, eine Meinung zu haben zu diesem Abkommen. Es ist unglaublich, dass unsere Regierung zu einem der wichtigsten Geschäfte der letzten zehn Jahre keine eigene Haltung hat und einfach eine unverbindliche Umfrage macht. Es geht um sehr viel. Es geht um die europäische Integration der Schweiz, es geht um die  politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen unseres Landes zu Europa, es geht um unser Selbstverständnis als Land. Dass der Bundesrat ausgerechnet hier kneift, ist jenseits.

 

Nun hat ja auch die SP ihre liebe Mühe mit ihrer Meinungsbildung. Denkst du, es gibt eine SP-kompatible Lösung für das Problem der flankierenden Massnahmen und anderer linker Kritikpunkte?

 

Die SP hat immer gesagt, dass wir ein solches institutionelles Abkommen wollen. Wir sind der Meinung, dass das ein Schritt wäre für mehr europäische Integration, weil auch unsere Mitgestaltungsmöglichkeiten vermehrt werden und das Fundament unserer Beziehungen zur EU verbessert wird. Der Bundesrat hat schlecht kommuniziert und nicht erklärt, welche Gesetze zu ändern wären, wie die wesentlichen Interessen der Schweiz gewahrt werden können und wie das Abkommen innenpolitisch umgesetzt werden würde. Deshalb sind viele Fragen noch offen. Der Lohnschutz ist sicher eine der wichtigsten, es gibt aber auch andere offene Fragen, zum Beispiel bezüglich der staatlichen Beihilfen. Ich bin zuversichtlich, dass der Bundesrat nach ernsthafter Bearbeitung der Rückmeldungen Vorschläge zur Umsetzung machen wird, die – in einer vom Parlament modifizierten Form – dann auch von uns akzeptiert werden können.

 

Noch eine letzte Frage: Wie siehst du das zeitlich? Ist Eile angesagt oder kann man getrost auch noch zuwarten?

 

Für die geistige Gesundheit einiger Politiker*innen pressiert es vielleicht. Die Debatte zieht sich ja schon eine ganze Weile hin und kostet auch Nerven. Abgesehen davon gibt es keine objektiven Gründe für Eile. Wichtig ist es, ein mehrheitsfähiges Abkommen zu finden, das auch den Lohnabhängigen nützt und nicht schadet.

 

Danke, Fabian, für dieses Gespräch.

(Sprachrohr, Mai 2019)